Gesellschaft der Patienten mit zerebrovaskulärem Schlaganfall von Slowenien

Prof. Dr. Anton Grad, Neurologe

1994 wurde in Slowenien eine soziologische Studie zur Lebensqualität der Slowenen durchgeführt. (Slowenien: unabhängiger Staat seit 1991 mit zwei Millionen Einwohnern). Die Autoren der Studie baten auch Kardiologen und Neurologen ihre Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten in die Studie mit einzubringen, um die Lebensqualität dieser beiden Gruppen mit der von Gesunden zu vergleichen. Die Ergebnisse haben die weitverbreitete Meinung bestätigt, dass die Lebensqualität der Schlaganfallpatienten sehr schlecht sei. Auch ich habe das Ergebnis so erwartet. Es war die einhellige Meinung von Medizinstudenten und jungen Ärzten, die ich das Privileg in Neurologie zu unterrichten hatte, „dass es besser sei, an einem Herzinfarkt oder an Krebs zu sterben, als ans Bett gefesselt, aphasisch (sprachlos) und komplett pflegebedürftig zu überleben“.

Auf der anderen Seite zeigte die erwähnte Studie auch, dass die Lebens-Qualität von Herzinfarktpatienten besser war als die von Gesunden! Patienten nach Herzinfarkt hatten ein höheres Selbstvertrauen, waren körperlich fitter, besuchten mehr kulturelle Veranstaltungen, lasen mehr Bücher und waren vor allem im sozialen Leben viel aktiver. Kurz, sie hatten mehr Lebensfreude („joie de vivre“) als Gesunde. Als wir uns fragten, wie es zu diesen überraschenden Ergebnissen kam, fanden wir heraus, dass sich Herzinfarktpatienten selbstinitiativ zu Trainings-Gruppen („aerobic training“) zusammengeschlossen haben. Ihre Gruppentreffen waren jedoch weit davon entfernt, sich ausschließlich um körperliches Training zu drehen. Ihre gemeinsamen Zusammenkünfte verbesserten ihrer aller Leben.

Folglich organisierte 1996 eine enthusiastische Gruppe von Schlaganfall-Patienten um Herrn Peter Kunc den sogenannten „Klub der Schlaganfall – Patienten“. Was mit 20 Mitgliedern begann wuchs auf über 1.500 Patienten in 18 regional organisierten Gruppen („Klubs“) unter der Dachorganisation „Gesellschaft der Schlaganfallpatienten“. Diese Gesellschaft ist eine Nichtregierungsorganisation mit dem Ziel, die medizinischen und sozialen Probleme ihrer Mitglieder zu beseitigen. Sie ist beim slowenischen Gesundheitsministerium als humanitäre Organisation registriert sowie Mitglied der Europäischen Schlaganfall-Allianz („Stroke Alliance for Europe“).

Zu den Hauptaufgaben der „Gesellschaft der Schlaganfallpatienten“ gehört, als aktiver Partner professioneller Leistungserbringer der Gesunheitsversorgung zu fungieren. Besonders aktiv ist die Gesellschaft der Schlaganfallpatienten in der Organisation der komplexen Rehabilitation nach Schlaganfällen. Außerdem ist sie ein aktiver Unterstützer der Helsingborg Deklarationen I und II. Verschiedene Broschüren und Papiere zu Schlaganfall, Komplikationen nach einem Schlaganfall und Schlaganfall-Rehabilitation wurden veröffentlicht. Die populärste Veröffentlichung ist jedoch die monatlich erscheinende Zeitschrift „KAP-nik“ (Wortspiel: im slowenischen kap = Schlaganfall; mit der Endung –nik -> kapnik jedoch Tropfstein; ein Symbol des langen Überlebens unter schwierigsten Bedingungen der unterirdischen Karst-Höhlen). Auf regionaler Ebene organisieren die Patientengruppen Workshops für Patienten und ihre Angehörigen, soziale Veranstaltungen, sowie kulturelle und Rehabilitations-aktivitäten. Sie helfen auch bei individuellen Alltagsproblemen, wie z.B. beim Transport etc.

Als Schlussfolgerung eines Neurologen, der täglich Kontakt mit Schlaganfallpatienten hat: ich kann mir die komplexe Behandlung von Schlaganfallpatienten ohne die Aktivitäten der „Gesellschaft der Schlaganfallpatienten“ nicht mehr vorstellen.